In einer starken Demokratie ist selbst ein schwacher Lockdown heftig. Mehrere hundert Schweizerinnen und Schweizer versammeln sich deshalb im Mai 2020 wöchentlich auf dem Sechseläutenplatz in Zürich, um gegen die Notstandsmassnahmen des Bundes zu demonstrieren. Die Wut über den Lockdown im vergangenen März flacht irgendwann ab, doch die Querfront bleibt. Die Anhänger diskutieren über die andauernden Einschränkungen des öffentlichen Lebens, aber nicht nur: 5G, Bill Gates und die Impfpflicht - das Potpourri aus unzufriedenen Bürgern und deren Kritik ist unübersichtlich.
Je länger die Pandemie andauert, desto mehr Gesinnungen stossen dazu. Die grösste Gefahr geht zwar noch immer von einzelnen Individuen aus, aber die Bewegung ist im Austausch. Man erzählt sich vermeintliche Fakten über den Deep State und das menschengemachte Virus. Die Folgen sind kollektiver Realitätsverlust und menschenverachtende Arroganz. Es gibt nur eine Wahrheit: ihre.
Nachdem ich die Demonstrationen und Spaziergänge der Szene knapp ein Jahr begleitet habe, entscheide ich mich im Frühling 2021 damit aufzuhören. Die Gespräche mit den Teilnehmenden frustrieren mich zu sehr.